Geschichte

Waaghaus Bozen

In neuem Glanz steht das Waaghaus zwischen den Lauben und dem Kornplatz, dem ältesten Platz der Stadt Bozen. Wie der Name vermuten lässt, fand auf diesem Platz in ferner Zeit der Korn- und Getreidemarkt statt. Einst stand hier auch die Burg der Fürstbischöfe von Trient, die als Stadtgründer Bozens gelten. Heute ist der Kornplatz, auch Dank des Waaghauses, zu neuem Leben erwacht und mittlerweile wohl der Hot Spot in Bozens Altstadt.

Eine ebenso lange Geschichte wie der Kornplatz hat das Waaghaus. Die romanischen Grundmauern bezeugen das hohe Alter des Hauses, das auf das frühe 13. Jahrhundert zurückgeht. Das Waaghaus ist nicht nur eines der ältesten, sondern auch das einzige freistehende Gebäude in den Bozner Lauben. Den Namen erhält es von seiner einstigen Funktion als öffentliche Waage, der sogenannten Fronwaage. Diese war bis 1780 die einzig zugelassene Waage der Stadt, wo nach den alten Marktbestimmungen Getreide und Flüssigkeiten gemessen bzw. gewogen wurden. Damals konnten Maße und Gewichte von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein und um Betrügern das Handwerk zu legen, musste die gesamte Kaufmannsware, die Bozen erreichte, im Waaghaus abgewogen werden. Eine Abbildung der Stadtwaage kann man auch heute noch auf einem Fresko von Albert Stolz auf dem Schwibbogen zwischen Lauben und Waaggasse betrachten.

Nicht nur in Bozen, sondern auch in anderen Städten, wo das Fronwaagrecht vorherrschte, gab es Waaghäuser. Vor allem in Deutschland und den Niederlanden waren diese weit verbreitet. Waaghäuser wurden nur dort errichtet, wo es Märkte im städtischen Kontext gab und stellen somit ein Emblem für den urbanen Charakter eines Ortes dar.

Am 1. Januar 1855 wurde im Bozner Waaghaus, welches zu jener Zeit Eigentum der Stadtgemeinde Bozen war, die erste Filiale der Südtiroler Sparkasse mit der Bezeichnung „Bozner Sparkasse“ eröffnet. Knapp 170 Jahre später hat die Stadtgemeinde Bozen das Waaghaus an die Stiftung der Südtiroler Sparkasse verkauft. Im Kaufvertrag enthalten war die Verpflichtung für den neuen Eigentümer, das Gebäude zu restaurieren und es für kulturelle Zwecke zu nutzen. Als Vorreiter dieser neuen Zweckbestimmung nutzten die Kulturkooperative „cooperativa 19“ und „Weigh Station“ das Haus, bevor 2018 unter der Leitung des Architekturbüros Piller Scartezzini die Renovierungsarbeiten begannen. Während der Umbauphase kamen verschiedene Wandmalereien, die man heute wieder im Inneren des Hauses bewundern kann, zum Vorschein.

In Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalpflege des Landes Südtirol und den Restauratoren wurde die Gestaltung der Fassadenoberflächen erarbeitet: Das Haus erstrahlt in leuchtend weißem Putz, während Fenster- und Türrahmen in einem so genannten „Rebschwarz“ – einem Pigment aus verkohltem Rebenholz – für einen eleganten Kontrast sorgen. Bei der Freilegung der Malschichten an der Ostfassade wurde ein Tiroler Adler samt Inschrift „A. Dinzl – k. & k. Hof – Juwelier“ aufgedeckt und zeugt von besonderer Wichtigkeit des Waaghauses in der jüngeren Geschichte der Stadt.

Nach erfolgter Renovierung wurde das Waaghaus im Jahr 2020 bezogen und unter dem Namen „Waag“ als Kulturhaus eröffnet. Waag vereint wichtige Kulturinstitutionen- und Realitäten, die sich hier angesiedelt haben und Raum finden, um gemeinsam mit anderen Kulturakteuren Neues zu schaffen und hinauszutragen. Das Waaghaus wird somit wieder zu einem wichtigen Ort der Stadt Bozen und wirkt als Bindeglied zwischen Handel, Tourismus und Kultur, verwandelt Korn zu Kunst, verschmelzt Uraltes und Unerhörtes, und festigt Bozen als Kulturstadt.

DATEN ZUM SANIERUNGSPROJEKT

Bauherr
Stiftung Südtiroler Sparkasse

Planung und Bauleitung
Arch. H. Wolfgang Piller
Piller Scartezzini Architekten, Bozen

Mitarbeit
Arch. Florian Scartezzini, Arch. Julia Überbacher, Arch. Clemens Kubicek

Statik und Sicherheit
Ing. Markus Hesse, Meran

Elektroanlagen
P. I. Stefano Pezzetta, Bozen
Thermosanitäre Anlagen:
P. I. Martin Schweigkofler, Bozen

Bauhistorische Untersuchung
Martin Mittermair & Christiane Wolfgang

Baufirma
Pfeiferbau, Deutschnofen

Restauratoren
Fa. Gebhard KG mit Verena Mumelter, Fiorella Tapparelli, Stefan Wörz

Bauzeit
Oktober 2018 bis Dezember 2019

Baukosten inkl. MwSt
3.000.000,00 €

Martin Mittermair und Christiane Wolfgang haben 2016 in einer bauhistorischen Untersuchung die Bauepochen und die Entstehungsgeschichte des Gebäudes ermittelt.